EEG – eine echte Reform wäre jetzt dringend notwendig

Gastautor Portrait

Prof. Dr. Justus Haucap

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Prof. Haucap ist Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Mitglied der Monopolkommission der Bundesregierung. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre in Saarbrücken und Ann Arbor (Michigan, USA) und anschließender Promotion an der Universität des Saarlandes folgten berufliche Stationen an der University of California (Berkeley, USA), der New Zealand Treasury in Wellington (Neuseeland) und der Universität der Bundeswehr in Hamburg, wo sich Haucap 2003 auch habilitierte.

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10. April 2014

Die zahlreichen Probleme des EEG sind lange bekannt. Erstens entfaltet das EEG aufgrund der fehlenden Abstimmung mit dem Emissionshandelssystem EU-ETS keine Klimaschutzwirkung. Der CO2-Ausstoß in Deutschland nimmt seit 2009 wieder zu.

Zweitens explodieren die Kosten, weil insbesondere die Solarenergie in im Grunde skandalöser Weise überfördert wurde. Die Kopplung aus staatlich fixierten Mindestpreisen und Abnahmegarantien hat bei den EEG-Stromproduzenten eine „Produce and Forget“-Mentalität ohne Verantwortungsbewusstsein für Nachfrage und Systemstabilität hervorgerufen. Die Alimentation auf Kosten der Stromverbraucher wird fast als Grundrecht betrachtet. Eine echte Reform wäre jetzt dringend notwendig.

Der jetzt vom Kabinett beschlossene Entwurf für eine EEG-Reform geht zwar mit der einsetzenden Pflicht zur Direktvermarktung in die richtige Richtung, um das Kostenproblem zu mildern, doch wird dieser Weg viel zu langsam beschritten. Der sehr langsame Übergang zur teilweisen Direktvermarktung mit gleitenden Marktprämien wird die Kosten kaum dämpfen. Besser als dieser sehr gemächliche Ausstieg aus dem jetzigen EEG wäre eine schnell einsetzende Pflicht zur Direktvermarktung für alle neuen Anlagen gewesen. Am besten wäre hier ein Zertifikatemodell, bei dem die Stadtwerke und andere Stromversorger verpflichtet würden, einen kontinuierlich wachsenden Anteil an Strom aus erneuerbaren Energien zu beziehen, es den Stromversorgern aber freigestellt wird, von wem und aus welcher grünen Technologie der Strom kommt. So würden sich auch Grünstrompreise im Wettbewerb bilden und effiziente grüne Technologien durchsetzen. Die Monopolkommission und der Sachverständigenrat haben allerdings vergeblich versucht, für einen raschen Umstieg auf ein solches Wettbewerbsmodell im Ökostrombereich zu werben.

Windkraft20209[1]klein

Man kann Wirtschaftsminister Gabriel hier nichtsdestotrotz keine Vorwürfe machen: Eine echte EEG-Reform ist im Gestrüpp der Partikularinteressen politisch einfach nicht durchsetzbar. Leider besteht auch kaum mehr ein ernsthaftes Interesse am Klimaschutz. Vielmehr versuchen die politischen Akteure über das EEG vor allem die maximalen Subventionen für ihre jeweilige Klientel herauszuholen: Onshore- und Offshore-Wind im Norden, Biomasse und Solar in Bayern, Kapazitätszahlungen für konventionelle Kraftwerke in den Kohleländern usw. – das Gestrüpp ist kaum zu entwirren. Die Subventionsmentalität hat sich so breit gemacht, dass ein Zurück zu Markt und Eigenverantwortung ohne fremde Hilfe, z. B. aus Brüssel, enorm schwierig ist.

Das eigentlich Dramatische ist jedoch, dass die vielen Hundert Milliarden, die wir insgesamt in die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien stecken, den Klimaschutz nicht voran bringen, sondern tendenziell sogar zurückwerfen. Erstens ist durch den Emissionshandel die Menge der Treibhausgasemissionen in der EU ja ohnehin gedeckelt, sodass es irrelevant ist, wieviel Strom in Deutschland aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Der CO2-Ausstoß in Europa bleibt unberührt. Viel wichtiger aber ist, dass die Energiewende international zunehmend als abschreckendes Beispiel wahrgenommen zu werden droht. Australien hat jüngst unter Verweis auf die negativen deutschen Erfahrungen eine Kohlewende eingeleitet. China baut zwar erneuerbare Energien aus (vorwiegend Wasserkraft in Form großer Staudämme), aber stärker noch wächst die Stromerzeugung aus Kohle. Das ist sehr entmutigend, weil der Klimaschutz ein drängendes Problem ist. Es steht zu befürchten, dass die Energiewende in Deutschland dem Klimaschutz letztendlich einen Bärendienst erweisen wird.

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Zum Weiterlesen Vorträge und Artikel unseres Gastautors im Netz

http://www.stiftung-marktwirtschaft.de/fileadmin/user_upload/Tagungsunterlagen/Haucap_Folien_Nudging-Energiewende_Tagung_SMW_04-06-2013.pdf

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/justus-haucap-zur-energiewende-der-klimaschutz-geraet-voellig-aus-dem-blick-1.1819504

 

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  1. Dirk Kaiser

    vor 10 Jahren

    ... dann die links eben ohne "www"

    Dirk Kaiser vor 2 Stunden
    Vielen Dank! Sie erhalten zur Freischaltung Ihres Kommentars eine E-Mail.

    "Energiewende wird zum eiskalten Kapitalvernichter

    Aktionärsschützer veröffentlichen eine Liste der größten Börsendebakel der vergangenen Jahre. Ganz oben stehen dabei Solar- und Windkraftanlagenbauer. Aber auch fünf Dax-Konzerne gehören dazu."
    .
    welt.de/finanzen/geldanlage/article125476307/Energiewende-wird-zum-eiskalten-Kapitalvernichter.html
    .
    "…schleichender Prozess der De-Industrialisierung, der insbesondere in energieintensiven Branchen bereits empirisch nachweisbar "
    .
    dbresearch.de/PROD/DBR_INTERNET_DE-PROD/PROD0000000000326197/Carbon+Leakage%3A+Ein+schleichender+Prozess.PDF

  2. Dirk Kaiser

    vor 10 Jahren

    Siehe S. 51 und 52

    http://www.e-fi.de/fileadmin/Gutachten_2014/EFI_Gutachten_2014.pdf
    .

  3. Dirk Kaiser

    vor 10 Jahren

    „Die Industrie hat keine Angst vor Wind und Solar, sie haben Angst davor, dass sich diese glücklichen Zeiten ändern könnten.“
    Nun, haben Sie denn einen Beleg für diese Behauptung?

    Prof. Dieter Ameling, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl a.D.: „Es ist unwahrscheinlich, dass in Deutschland noch einmal ein neues Stahlwerk, eine große Chemiefabrik oder ein Werk für Karbonfasern gebaut wird.“
    .
    BASF hat bereits den Ausbau ihrer Kapazitäten in den USA mit den Energiepreisen begründet. Diese liegen dort bei nur 50% der deutschen Industriestrompreise; -trotz der Entlastungen für unsere Industrie.
    .
    Die Bahn hat für den Fall des Wegfalls der EEG-Erleichterungen bereits Fahrpreiserhöhungen zwischen 6% und 10% angekündigt.
    .
    Das deutlich gesunkene Investitionsvolumen von Ausländer in Deutschland und die Steigerung deutscher Auslandsinvestitionen deuten für Sie worauf hin?

    „Strompreis… so niedrig, wie vor 8 Jahren“ Wissen Sie - das glaube ich Ihnen sogar! Der reine Strompreis! Allerdings bezahlen die Unternehmen – auch die mit EEG-Erleichterungen – heute insgesamt mehr für den Strombezug als vor 8 Jahren (höherer Staatsanteil, höhere Netzentgelte durch EE-Ausbau) Immerhin haben wir die zweithöchsten Industriestrompreise in Europa. Nur die Dänen liegen wegen des noch höheren Windstromanteils noch vor uns!

  4. Dirk Kaiser

    vor 10 Jahren

    "und daher unter den Experten als höcht unsicher gelten, "
    ****
    Das ist das immer das Tolle bei den Umwelt-NGO's: Wann immer sich jemand - egal wer - als Stimmungsmacher zu einem bestimmten Thema in den Medien äußert, halten ihn die Jünger vom betreuten Denken gleich für einen "Experten" für dieses Thema...
    .
    Hier ist noch einer von Ihren "Experten":
    .
    http://www.youtube.com/watch?v=fhi4cvmmjBE
    .
    Richtig ist: Umweltorganisationen (!!!) halten Temelin für unsicher... aber das sollte nicht wirklich überraschen... das meinen sie auch auch von deutschen Anlagen....
    .
    Im Übrigen hatte ich in Bezug dazu bereits auf einen Beitrag von Windmüller geantwortet... Dem habe ich nichts hinzuzufügen...

    0 2
  5. Dirk Kaiser

    vor 10 Jahren

    Franz Wagner vor 14 Stunden
    "Ich kann mich nur wiederholen:..."
    ***
    Ja, aber dadurch wird Ihre Behauptung auch nicht richtiger! Sie sollten schonmal genau darlegen, woran Sie das festmachen!

  6. Dirk Kaiser

    vor 10 Jahren

    "Denn Herr Haucap hat ein Partikularinteresse vergessen, das der Industrie. Die wachsende Anzahl an Ausnahmen in den diversen Umlagen steigt immer weiter an und die Regelungen werden immer komplizierter. Das geht vor allem zu Lasten derjenigen, die noch die volle EEG-Umlage bezahlen müssen."
    *****************
    Für mich wäre mal interessant, welche Sachargumente die Vertreter einer solchen Auffassung zu dem Schluss kommen lassen, dass sich der Wegfall der Erleichterungen für energieintensive Unternehmen nicht zu Lastern deren auswirkt, die ohnehin schon die volle EEG-Umlage zahlen müssen?
    .
    Stark vereinfacht würde ich hier mal drei Gruppen von Unternehmen unterscheiden:
    1.) Unternehmen stehen im globalen Wettbewerb. Um am Markt zu überleben werden Sie über Standortverlagerungen nachdenken müssen... . mit entsprechenden Folgen auf dem deutschen Arbeitsmarkt, Sozialkassen, Steueraufkommen,...
    .
    2.) Firmen, die in keinem internationalem Wettbewerb stehen, werden Ihre Preise anpassen (müssen)
    .
    3.) Firmen, denen die Möglichkeiten 1.) als auch 2.) verwehrt aus irgendwelchen Gründen sind, werden in sehr großer Zahl vom Markt verschwinden... -> siehe 1.) Arbeitsmarkt, Sozialkassen,...
    .
    Ich zahle auch nicht gerne für andere... aber wieviele Bereiche eines Gehirns müssen eigentlich ausgefallen sein, um zu glauben, dass ein Wegfall der Industrievergünstigungen keine negativen Auswirkungen auf alle haben wird? Die Behauptung "Alles nur leere Drohung der Industrielobby" ist einfach nicht überzeugend!
    .

  7. Windmüller

    vor 10 Jahren

    Man kann sich nur wundern. Die Ökoenergien senken den Preis an der Strombörse. Dadurch ist der Strom für energieintensive Betriebe so niedrig, wie vor 8 Jahren. Haut man die erneuerbaren Energien an die Wand, so STEIGEN die Preise. Die Industrie hat keine Angst vor Wind und Solar, sie haben Angst davor, dass sich diese glücklichen Zeiten ändern könnten. Zudem sind erneuerbare Energien ein Garant für stabile Preise. Das EEG kennt keine Inflation. Kann jemand Garantien abgeben, dass Kohle, Öl und Gas die nächsten 20 Jahre kein Stück teurer werden ??

    3 2
  8. Dirk Kaiser

    vor 10 Jahren

    Danke Herr Grass,

    endlich mal ein von der Redaktion eingebrachter Beitrag, der nicht im Stile einer "SED-Wochenzeitschrift" Gesundbeterei zum Gegenstand hat!

  9. Andreas

    vor 10 Jahren

    Die EU ist nicht der richtige Ansprechpartner, die hat im aktuellen Fall der EEG-Reform alles schlimmer gemacht als es schon ist. Denn Herr Haucap hat ein Partikularinteresse vergessen, das der Industrie. Die wachsende Anzahl an Ausnahmen in den diversen Umlagen steigt immer weiter an und die Regelungen werden immer komplizierter. Das geht vor allem zu Lasten derjenigen, die noch die volle EEG-Umlage bezahlen müssen. Einen schönen Beitrag dazu gab es im Manager-Magazin, http://www.manager-magazin.de/politik/deutschland/kommentar-zur-energiewende-schluss-mit-dem-jammern-a-963086.html

    Die Vorschläge von Herrn Haucap sind ein alter Hut und führen weder zu mehr Klimaschutz, wie der nicht funktionierende Emissionshandel, noch zu einer Art von Energiewende. Sie führen lediglich dazu, dass sich nichts ändert.

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