Der lange Weg zur Normalität für die Elektromobilität

Gastautor Portrait

Dirk Bischoff

EnBW Energie Baden-Württemberg AG

Nach einem Studium der Geoökologie war Dirk Bischoff viele Jahre in verschiedenen Positionen der IT tätig. Vor sieben Jahren wechselte er in die IT-Strategie der EnBW, wo er auch seinen Master in Wirtschaftsinformatik fertigstellte. Seit August 2013 steuert er als Programmanager die Weiterentwicklung des Geschäftsfeldes E-Mobilität.

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22. Juli 2014

Leitmarkt und Leitanbieter – diese beiden Schlagworte kennzeichnen die Ziele der Bundesregierung für die Elektromobilität in Deutschland. Doch welchen Mehrwert bieten diese Ziele insbesondere für die Autofahrer, die auf ein E-Fahrzeug umsteigen möchten?

EnBW_Ladestation_car2goKleinDie Diskussion, ob die anvisierte 1 Millionen E-Fahrzeuge in Deutschland bis 2020 erreicht wird, ist eher nebensächlich. Es ist nicht entscheidend, ob diese Marke 2019 oder 2023 übersprungen wird. Entscheidend ist, dass sich E-Fahrzeuge auf breiter Front durchsetzen und die Ladeinfrastruktur im Verhältnis kontinuierlich mitwächst. Die Entwicklung endet ja auch nicht zum Stichtag 2020, Zukunftsforscher sehen bis 2030 einen Marktanteil für rein batterieelektrische Fahrzeuge von bis zu 25%.  Dies wären um die 10 Millionen Fahrzeuge! Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss dann auch die Anpassung der Netze auf die neuen Anforderungen erfolgt sein. Doch die Netze wollen wir nicht betrachten, sondern einen Blick auf die Anforderungen der Nutzer werfen, damit wir überhaupt eine solche Dimension von Fahrzeugen erreichen.

Wenn eine neue Technik auf den Markt kommt, haben wir es typischerweise mit zwei Betrachtungsweisen zu tun. Rational fragen wir: welchen Mehrwert habe ich davon, wird etwas einfacher, schneller, günstiger? Für Unternehmen sind dies in der Regel die zentralen Bewertungskriterien. Daneben gibt es aber auch das Bauchgefühl – für den Privatnutzer oft wichtiger als die rationale Entscheidung: Macht es Spaß, kann es mich und meine Freunde begeistern und welches Image kann ich mir damit geben? Wobei das Image auch für Unternehmen zunehmend an Bedeutung gewinnt, schließlich wollen sie ja auch die Bauchgefühl-Kunden für sich gewinnen.

Bei der Elektromobilität sind diese Betrachtungsweisen nicht voneinander zu trennen. Ein E-Auto zu fahren begeistert! Die lautlose Kraftentfaltung ab Stand ohne Schaltvorgänge erzeugt auch bei verbrennungsgeprägten Testern das „Tesla-Grinsen“. Dazu noch schadstofffrei mit Ökostrom unterwegs – super! Auch die Wartungskosten sind günstiger, da es viel weniger Verschleißteile gibt. Warum steigen nicht alle auf E-Autos um? Ach ja, die Anschaffungskosten sind höher und die Reichweite entspricht ja überhaupt nicht unseren aktuellen Erfahrungen. Und dann noch viel zu wenig Ladepunkte – ich muss jede Reise vorher planen oder bleibe liegen? Und die Batterie-Lebensdauer? Nein Danke! Wenn ich mit diesen Fragen zu einem Autohändler gehe, wird mir zudem eine Mehrzahl davon abraten. Kein Wunder, da es für Werkstätten wenig attraktiv ist, sich für E-Fahrzeuge zu engagieren. Sie müssen ihre Mitarbeiter auf Hochvolttechnik qualifizieren und werden langfristig über die Wartung weniger Umsatz machen.

Wer soll nun die Elektromobilität vorantreiben, wenn das Bauchgefühl JA, die rationale Bewertung aber NEIN sagt?

DElektromobilität (Bild Nr.18100)ie EnBW engagiert sich Jahren in vielen Forschungsprojekten wie z.B. „iZEUS“ und „Schaufenster“ und hat eines der größten Ladeinfrastrukturnetze Deutschlands aufgebaut. Doch auch im sehr gut versorgten Großraum Stuttgart kommt die private Nutzung von E-Fahrzeugen nur langsam in Schwung. Spätestens jetzt kommt der Verweis auf andere Länder, in denen es doch dank staatlicher Förderung schon super funktioniert: Niederlande, Kalifornien, Norwegen… Um es gleich vorwegzunehmen, die Maßnahmen dieser Länder sind nicht 1:1 auf Deutschland übertragbar. Zu unterschiedlich sind die regulatorischen und Steuersysteme. Doch eins haben all diese Länder gemeinsam – sie haben es geschafft, auch die rationale Bewertung auf JA zu drehen. Die Gesamtkosten über die Lebensdauer der E-Fahrzeuge sind vergleichbar oder günstiger als vergleichbare Verbrennungs-Modelle. Nun ist der Ansatz der Bundesregierung, dass die Elektromobilität wirtschaftlich tragfähig sein soll, legitim und voll zu unterstützen. Keiner will dauerhafte Subventionen für einen Bereich, in dem Deutschland Leitanbieter werden soll. Doch um zu erreichen, dass die Fahrzeuge auch hier gebaut werden, muss ein Absatzmarkt, der Leitmarkt, entstehen. Dazu müssen die Kundenbedürfnisse berücksichtigt werden, die derzeit an der Kostenseite hängen bleiben. Auch in Deutschland gibt es genügend regulatorische Mechanismen, um die Fahrzeuge für den Markthochlauf günstiger zu machen. Wenn dann in wenigen Jahren Elektrofahrzeuge Normalität sind, werden sich die Kosten von alleine angleichen und dann können auch wir das schöne Bauchgefühl voll auskosten und mit einem breiten Grinsen lautlos und sauber in die elektromobile Zukunft starten.
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Redaktionelle Hinweise:
Elektromobilitäts-Infografik
Aktuelle Zulassungsstatistik Elektroautos 

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Bisher erschienen:

E-Mobilität im ländlichen Raum, Alexander Bonde (Minister f. ländlichen Raum und Verbraucherschutz)
Zusammen wird ein Schuh draus, Hermann Albers (Bundesverband WindEnergie)
Elektromobilität trifft erneuerbare Energien, Kai (EnBW)
>> Der lange Weg zur Normalität, Dirk Bischoff (EnBW Energie Baden-Württemberg AG)
Infografik E-Mobility, Jacek (EnBW)
Keine Energiewende ohne Mobilitätswende, Kurt Sigl (Bundesverband eMobilität)

Diskutieren Sie mit

  1. Erich Görgens

    vor 10 Jahren

    Hallo Herr Bischoff,
    ich bin mir nicht sicher ob ich Sie ohne Vorwahrnung mit einer Neuen E-Mobilität belästigen soll. Eine, die "autark" und nur sehr weitläufig verwandt ist mit dem, was derzeit darnunter verstanden wird. Neugierig...? Wenn ja, sehen Sie sich bitte meinen Kommentar auf der Seite von Herr Grass an unter https://www.dialog-energie-zukunft.de/umfrage-herausforderungen-energiewende/#comment-2193 Ich freue mich auf Ihr Feedback!

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