COP29 Baku – Ist das Ergebnis ein (Miss)Erfolg?

Magnus Keske

Student im Masterstudiengang Sustainable Resource Management an der TU München (TUM)

Magnus Keske ist Student im Masterstudiengang Sustainable Resource Management an der Technischen Universität München (TUM) und Berichtet für uns direkt von der COP29 aus Baku.

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26. November 2024

Nach mehr als 30 Stunden Verlängerung hat die Staatengemeinschaft bei der 29. UN-Klimakonferenz (COP29) ein gemeinsames Abkommen verabschiedet. Im Fokus der letzten Verhandlungsstunden stand das neue Ziel zur Klimafinanzierung. Die Verhandlungen zeigten erneut, wie festgefahren die Klimapolitik ist: Während Menschenleben im heißesten Jahr der Klimaaufzeichnungen durch Extremereignisse zunehmend gefährdet sind, wird zwei Wochen lang Wort für Wort um Eingeständnisse in der Klimapolitik gefeilscht. Am Ende stand ein teils widerwillig akzeptierter Kompromiss und Unzufriedenheit mit der Leitung der Konferenz durch die aserbaidschanische Präsidentschaft.

Welche wichtigen Entscheidungen wurden in Baku getroffen?

Die Klimafinanzierung soll bis 2035 von derzeit 100 auf 300 Milliarden US-Dollar steigen. Diese Gelder sollen überwiegend aus Industrieländern, die den historisch größten Beitrag zur Verursachung des Klimawandels geleistet haben, kommen. Staaten wie China, Saudi-Arabien und Singapur, die heute hohe Emissionen verursachen, können sich freiwillig an der Finanzierung beteiligen. Diese Ergänzung stellt eine Neuerung dar und entspricht einer der Kernforderungen der EU.

Bei den internationalen Kohlenstoffmärkten (Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens) haben sich die Länder geeinigt, wie Zertifikate geschaffen, gehandelt und registriert werden können. Weitere Regelungen wurden beschlossen, die sicherstellen, dass es sich bei den Zertifikaten um reale Emissionsreduktionen handelt. Der Zertifikatshandel zwischen Ländern soll die globale Zusammenarbeit bei der Emissionsreduzierung durch Marktmechanismen fördern. Klare Schritte für eine erhöhte Transparenz der Kohlenstoffmärkte und eine Reduktion ihrer Komplexität blieben aus, können bis nächstes Jahr noch durch ein Aufsichtsgremium festgelegt werden.

Direkter Zugang zu Klimafinanzierung – noch nicht

Mehr Klimafinanzierung durch direkten Zugang für marginalisierte Gruppen, wie Frauen und Kinder und auch Indigene zu schaffen, die überproportional unter den Einflüssen des Klimawandels leiden. So haben Frauen und Kinder ein bis zu 14-fach höheres Todesrisiko bei Klima-induzierten Katastrophen. Eine Regelung zu direktem Zugang zu den Geldern für marginalisierte und besonders betroffene Gruppen wurde nicht geschaffen. Ein Erfolg ist jedoch die 10-jährige Neuauflage des UN-Programms zu Gender und Klima, welches Ende des Jahres ausgelaufen wäre. Zunächst hatten Russland, Iran, Saudi-Arabien und der Heilige Stuhl Einspruch gegen die Verwendung des Wortes „Gender“ – immerhin seit Jahren bereits im Namen der Verhandlungsrunde erwähnt – eingelegt hatten.

Ist die beschlossene Finanzierung ausreichend?

Wir sind zur COP für einen fairen Deal gekommen. Wir haben das Gefühl, nicht gehört zu werden.

Cedric Schuster, Vorsitzender der SIDS

Die Gesamtsumme der Klimafinanzierung bleibt weit hinter den Forderungen von Schwellenländern, kleinen Inselstaaten und gefährdeten Nationen zurück. Im Vorfeld wurde von diesen eine Summe von 1,3 Billionen US-Dollar genannt. Eine genauere Definition aus welchen Quellen die Gelder stammen – öffentlich, privat, bilateral oder multilateral – oder eine verbindliche Regelung mehr Klimafinanzierung aus Förderungen anstelle von Darlehen zu beziehen, wurde nicht beschlossen.

Detaillierte Regelungen und ein Fokus auf direkte Förderungen sollten für eine bessere Finanzierungsgrundlage ohne weitere Überschuldung für Entwicklungsländer sorgen. Auch eine Entscheidung zum Ausstieg aus fossilen Kraftstoffen, deren Nutzung die Grundlage der Klimakrise ist, ist nach COP29 noch keine beschlossene Sache. Dies ist auch dem vehementen Einsatz von Ländern wie Saudi-Arabien, Russland und USA zu verdanken.

Kritik an der Rolle der COP-Präsidentschaft

Die Leitung der Klimakonferenz durch die aserbaidschanische Präsidentschaft stieß auf breite Kritik. Präsident Aliyev bezeichnete in seiner Eröffnungsrede Öl und Gas als „Geschenke Gottes“, ein Zeichen fehlender Ambitionen für einen globalen Ausstieg aus fossilen Energien. In Gesprächen mit einzelnen Ländern ignorierte die aserbaidschanische Präsidentschaft wiederholt die Positionen kleinerer Staaten wie LDCs (Least Developed Countries) und Small Island Developing States (SIDS) ein. Dies eskalierte am Samstagnachmittag, als die Verhandlungen bereits in der Verlängerung waren: Aufgrund fehlender Inklusion in Verhandlungen der von der Klimakrise am stärksten betroffenen Parteien verließen LDCs und SIDs die Plenarversammlung. Berichte, dass Saudi-Arabien, ein Land mit starkem Interesse an fossilen Energien und eine hemmende Kraft bei Klimaverhandlungen, direkten Zugriff auf die Bearbeitung von Entwurfstexten hatte, verstärkten die Frustration. Üblicherweise reichen alle Parteien ihre Kommentare ein und haben somit gleiche Rechte – dieses Protokoll wurde offenbar gebrochen.

Lieber kein Deal als ein schlechter Deal?

Zivilgesellschaftliche Akteure reagierten enttäuscht auf die Ergebnisse von COP29. Sie forderten bereits am Freitagabend „Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal“. Ein schlechter Deal sei kein Schritt zu Klimagerechtigkeit und ein Weg für Parteien des globalen Nordens sich aus ihrer historischen Verantwortung für die Klimakrise zu stehlen. . Mit der Fortsetzung bisheriger, unzureichender Unterstützung für Länder des globalen Südens könne dort keine gerechte und ausgewogene Transformation von fossilen zu erneuerbaren Energien geschaffen werden. Auch Forderungen nach neuen Finanzinstrumenten für die Klimafinanzierung wie der Besteuerung von Superreichen oder von Überprofiten der fossilen Energieindustrie wurden immer wieder in Demonstrationen betont.

Wie geht es nun weiter?

Kein Land hat alles bekommen, was sie wollten, und wir verlassen Baku mit einem Berg von Arbeit, der vor uns liegt. Jetzt ist nicht die Zeit für Siegesrunden, sondern wir müssen unsere Ziele anvisieren und unsere Anstrengungen auf dem Weg nach Belém verdoppeln.

Simon Stiell, Exekutivsekretär, UNFCCC

Die nächste Klimakonferenz findet 2025 in Belém, Brasilien, statt. Viele Beteiligte erhoffen sich von der Präsidentschaft Brasiliens unter Präsident Lula ambitionierter vorgehen wird. Nach den COPs in Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Aserbaidschan findet COP30 wieder in einem Land mit demokratischen Strukturen und Möglichkeiten für mehr zivilgesellschaftlichen Protest, der Druck auf Verhandlungen ausüben könnte, statt. Es wird erwartet, dass COP30 einen Fokus auf Wälder und die Wichtigkeit indigener Gruppen als Schützende der Integrität von Natur und Klima legen wird. Wichtige Entscheidungen wie die Erhöhung der Klimafinanzierung bis 2035 und weitere Regelungen zur Kohlenstoffmärkten sollen hier verhandelt werden.

Während Menschen Jahr für Jahr durch neue Klimaextreme zunehmend gefährdet sind, rangen die Parteien COP29 in Baku um Kompromisse und Zugeständnisse, die zu spät kommen könnten. Durch eine ambitionierte Klimafinanzierung sollte der Grundstein gelegt werden, die Folgen des Klimawandels für Menschen im globalen Süden abzufedern und eine nachhaltige Transformation der Wirtschaft zu ermöglichen. Auch die Hoffnung auf das Erreichen des im Pariser Klimaabkommen festgelegten Ziels von 1,5°C sollte wieder in erreichbare Nähe gerückt werden. Das Resultat zeichnet ein Ergebnis geopolitischer Machtspiele, bei der vor allem auf fossile Rohstoffen fokussierte Staaten wie die arabische Gruppe rund um Saudi-Arabien, aber auch die USA, fortschrittlichere Regelungen blockierten.

Dabei ist klar: Ohne die Unterstützung des globalen Nordens ist eine nachhaltige Transformation schwierig. Um die ärmeren Länder bei der Umstellung zu erneuerbaren Energien, der Anpassung an Klimawandelfolgen und bei der Bewältigung der Schäden von Dürren, Überschwemmungen oder Stürmen ausreichend zu unterstützen müssen zumindest die zugesagten Unterstützungen fließen. Wie dies in einer Zeit steigender rechtspopulistischer Tendenzen und abnehmenden Multilateralismus aussieht, wird sich nächstes Jahr in Brasilien zeigen.

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