Bürger planen mit – Bürgerbeteiligung bei Netzausbau gelingt

Gastautor Portrait

Ina-Isabelle Haffke

TenneT TSO GmbH

Ina-Isabelle Haffke studierte an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Kunstgeschichte, Neuere Deutsche Literatur- und Medienwissenschaft sowie öffentliches Recht. Bereits während des Studiums widmete sie sich der Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit. Als PR-Beraterin unterstützte sie jahrelang Konzerne aus der Energie- und Chemiebranche. Seit 2013 steuert sie bei TenneT als Referentin für Bürgerbeteiligung die Projektkommunikation in Bayern.

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12. Dezember 2016

Die Energiewende ist beschlossene Sache, doch ihre Umsetzung birgt Konflikte auf verschiedenen Ebenen. TenneT hat als einer von vier Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland den Auftrag, das Stromnetz an die neue, dezentrale Energieversorgungssituation anzupassen. Das Unternehmen setzt bei dem dafür unumgänglichen Neu- und Ausbau der Netze auf einen transparenten Dialog mit Bürgern und Kommunen.

Darüber hinaus hat TenneT in Kooperation mit dem Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI) beim Ersatzneubau Ostbayernring  in einem Pilotprojekt ein neues, umfassenderes Bürgerbeteiligungsformat erprobt. Hauptanliegen der TenneT war, öffentliche Akzeptanz für das Projekt zu gewinnen. Gleichzeitig sollten die planerischen und rechtlichen Bedingungen sowie Restriktionen für TenneT als Vorhabenträger nachvollziehbar werden. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiierten Forschungsprojekts demoenergie  stellte sich das KWI verschiedenen Fragestellungen: Wie können Bürger stärker in die Planung von Trassen einbezogen werden? Wie kann man ihnen eine größere Rolle bei der Planung von Infrastruktur einräumen?

Einblicke in das Pilotprojekt

Seit Januar 2014 konzipierten KWI, TenneT und erfahrene Moderatoren den Beteiligungsprozess entlang des Ostbayernrings. Zunächst wurde festgelegt, an welchen Orten eine Bürgerbeteiligung sinnvoll ist. Der 185 km lange Ersatzneubau von Redwitz in Oberfranken nach Schwandorf in der Oberpfalz verläuft in der Regel 65 m parallel zur bestehenden Leitung. Im Stadtgebiet Schwandorf und im Raum Windischeschenbach ist dies schwierig, da die neue Leitung besonders nahe an Wohnbebauung heranrücken würde. An diesen beiden „Hot-Spots“ konnte der Übertragungsnetzbetreiber den Bürgern gewisse Spielräume einräumen.

Für beide Untersuchungsräume entwickelte das Kooperations-Team verschiedene Formate auf zwei Ebenen. Die erste Ebene bestand aus Abendveranstaltungen, die für alle Interessierten zugänglich waren. Themen rund um den Ostbayernring, z.B. Notwendigkeit, Gesundheit und die Bürgerbeteiligung selbst wurden auf der Auftaktveranstaltung unter Teilnahme unabhängiger Referenten der Bundesnetzagentur und des Bundesamt für Strahlenschutz vertieft. Die Bürger konnten zudem Vorschläge für Trassenvarianten einbringen und auf sensible Gebiete hinweisen.

Foto des TUT Windischeschenbach. (René Arnold – Kulturwissenschaftliches Institut Essen – Projekt Demoenergie).
TUT Windischeschenbach (René Arnold – Kulturwissenschaftliches Institut Essen – Projekt Demoenergie).

Die zweite Ebene bildete das TrassenUntersuchungsTeam (TUT). Es bestand aus rund 20 Mitgliedern: per Losverfahren ausgewählte Bürger, Bürgermeister, Vertreter lokaler Verbände und Behörden sowie Vertreter von TenneT und von TenneT beauftragte Umweltplaner und Trassierer. In diesem Kreis wurde die Detailarbeit der Trassensuche erledigt und die verschiedenen Planungsschritte kritisch nachvollzogen. Die Bürger brachten lokales Wissen ein, hinterfragten in der Planung vermeintlich selbstverständliche Dinge und loteten die Spielräume des juristischen Rahmens aus.

Eine erfahrene Moderation begleitete den Prozess und sorgte dafür, dass sich alle Teilnehmer auf Augenhöhe begegneten und Menschen auch ohne Vorkenntnisse ihre Anliegen einbringen konnten. Gleichzeitig schafften die Moderatoren Verständnis für die unterschiedlichen Perspektiven.

Das KWI beobachtete von September 2014 bis Juni 2015 die Prozessdynamik der Bürgerbeteiligung. In zahlreichen Meinungsumfragen sowie persönlichen Interviews mit den verschiedenen Einzelakteuren werteten sie die Bürgerbeteiligung aus. Die Ergebnisse liegen zusammengefasst vor und beleuchten die beiden Beteiligungsprozesse in Windischeschenbach und Schwandorf. Mehr dazu können Sie unter http://www.demoenergie.de/analyse-und-evaluation-der-beteiligungsprozesse/ nachlesen.

Bürgerbeteiligung gelingt – Ein abschließendes Ré­su­mé

Für TenneT war die Bürgerbeteiligung ein großer Erfolg. Das Ostbayernring-Team hat viel Vertrauen vor Ort und viele politische Fürsprecher gewonnen. Die aktive, gleichberechtigte Mitwirkung der Bürger erhöht das Verständnis für die Planungssituation und die zugrundeliegenden technischen, umweltfachlichen und juristischen Rahmenbedingungen deutlich. Beteiligung führt zu einer Versachlichung der Diskussionen. Die Vor- und Nachteile einzelner Planungsvarianten werden für alle Bürger klar verständlich – auch wenn der Einzelne sich verständlicherweise weiterhin gegen eine ihn direkt betreffende Variante ausspricht.

Gleichzeitig hat TenneT wertvolle Erfahrungen mit dem Pilotprojekt gesammelt. Nicht alle Formate sind gleichermaßen für jeden Trassenabschnitt oder jedes Projekt geeignet. Ein TUT ist in einem ländlichen Raum sinnvoll, wo die Mitglieder sich kennen und in der Region gut vernetzt sind, sonst wird es schnell zur Black Box. Für städtische Bereiche dagegen eignen sich große öffentliche Beteiligungsformate. Die Rahmenbedingungen des Prozesses sind mit den Behörden und Politik von Beginn an abzustimmen. Mit einem klar definierten Beteiligungsspielraum werden keine falschen Erwartungen geweckt.

TenneT greift die erfolgreich getesteten Beteiligungsformate bei der Planung weiterer Leitungsprojekte bereits auf. Für das Projekt SuedOstLink  hat TenneT die Veranstaltungsformate adaptiert und sogenannte Planungsforen ins Leben gerufen.Beteiligungsprozess Windischeschenbach

 

Bürgerbeteiligung Schwandorf

 

 

 

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  1. WIlhelm Kleffner

    vor 5 Jahren

    In vielen Großprojekten (FRA-Startbahn West , MUC 3.Startbahn, ICE-Trassen, Lückenschluss A2 usw) wurde doch der Fehler gemacht, viel zu spät mit der betroffenen Öffentlichkeit zu reden. In Stuttgart wurde dies viel zu spät initiiert und wohl zunächst nach "versuchen wirs mal" begonnen. Dass ein zunächst technisch-genehmigungsrechtlich orientiertes Projektteam, dessen Firma zudem "nur" gesetztlich und vom Wähler gewollte Entwicklungen (Energiewende, Kernenergieausstieg) durch begleitende Einrichtungen (und es ist inzwischen unzweifelhaft, dass Netzausbau unabdingbar ist) umzusetzen gehalten ist, den Bürger in früher Phase mit einbezieht ist hier meines Wissens in diesem Umfang und in einem so frühen Stadium erstmals realisiert worden.
    Dass ein Unternehmen sich Hilfe holt, holen darf, holen kann und git beraten ist, dies zu tun, ist legitim und richtig. Ich denke, es ist nicht so, dass TenneT nicht erhebliche Kosten für diese Art der Kommunikation aufwendet. Dass ein Forschungsprojekt (und für das KWI ist es wohl eines) anhand eines realen Verfahrens festgemacht und gefördert wird, ist deutlich sinnvoller, als "ins Blaue" rein theoretisch zu "forschen".
    Dass eben (oder auch) diese Stromtrasse aus dem Topf der EU Mittel erhält, ist auch keine Schande, sondern holt zum Teil Mittel nach Bayern zurück, und es unterstreicht nicht nur die regional-nationale sondern auch national-internationale Bedeutung (ganz anders als z.B. der Bau des Flughafens Barcelona II, den keiner braucht, auch wenn er betriebsreit ist.) Stromtransport? Ja, dafür ist die Leitung (und nicht nur diese ja da! Es muss nochmals angemerkt werden, dass ab 2022 in Bayern eine Kernenergie bedingte "Stromlücke" von rd. 40.000.000.000 kWh (40 Milliarden kWh) besteht bzw. voll zum Tragen kommt. Und zwar über das ganze Jahr verteilt, sommers wie winters, tags wie nachts. Und hier hilft es wenig, "Einbahnstraßen" zu bauen, denn wenn - so wie heute um 7:00 und ab 18:00 - die Sonne nicht scheint, und so oft wie der Wind nicht ausreichend weht, dann ist es halt Nichts mit nem heißen Kaffee bevor man das Haus verlässt, nachdem man halt kalt duchen müssen. Und abends dann ebenfalls kein Heißgetränk, nur gammelige Wurst aus dem langsam auftauenden Kühlschrank. Und Fernsehen gibt es dann natürlich ebensowenig wie Benzin oder Pizza...
    Nur durch nur Stromtransport, -import, -export ist die immer verfügbare Versorgung mit Strom gesichert! Denn: Strom ist in diesen großen Mengen nach wie vor nicht speicherbar! Und das auf viele Jahre in die Zukunft.
    Wir benötigen nicht nur diese Stromtrasse, und die Art der Herangegehnsweise seitens TenneT find ich beachtens- und lobenswert sowie so bürgernah, wie bisher in keinem anderen Genehmigungsverfahren! Im Übrigen trägt dies hoffentlich Früchte bei sicher noch anstrengenden Diskussionen um den Nordzulauf zum Brenner-Basistunnel im Inntal. Und auch hier wird klar sein: allen kann man es nicht Recht machen, aber mit rechtzeitiger, intensiver Diskussion den Weg der wenigsten Schmerzen finden.

  2. Matthias Grobleben

    vor 7 Jahren

    Ich bin begeistert, wie eine Firma mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums die Bürger beschwatzen kann. Das Projekt war Teil eines Projektes des Bundesministeriums für Forschung und Ausbildung mit einem Gesamtvolumen von 33 Mio € über 2 Jahre. Das bedeutet, die Bürger haben über die Steuern die eigene Übertölpelung bezahlt. Auf solche Idee muss man erst einmal kommen.
    Bis heute ist nicht nachgewiesen, dass die HGÜ-Trassen erforderlich sind !
    Speziell die im Artikel angeführte Leitung transportiert ca 70 Tage keinen Strom und weitere 70 Tage wird Energie vom Süden in den Norden transportiert!!!
    Darüber hinaus ist diese Leitung Teil eines europäischen Projektes (PCI) und wird auf Antrag von der EU gefördert. Unabhängig davon ,dass auf dieser Leitung Kohlestrom aus der Lausitz transportiert wird ist da gesamte Projekt für die Betreiber eine große Gelddruckmaschine und hat mit der Energiewende nicht das Geringste zu tun.

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