Viele kleine Beschleuniger bringen die Energiewende voran

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Klaus Müller

beegy GmbH

Klaus Müller ist Redakteur beim Energiedienstleister beegy und betreut neben Blog, Webauftritt auch alle Social Media-Kanäle. Vor dem Wechsel zu beegy arbeitete er bei mehreren Internet-Firmen wie Check24 oder Softonic. Klaus Müller hat Linguistik, Geschichte und Ethik der Textkulturen an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg studiert.

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15. November 2016
Schild vom Barcamp Renewables 2016 – das Event vernetzt Energiewende Influencer und beschleunigt so die Energiewende. Foto: Klaus Müller
Schild vom Barcamp Renewables 2016 – das Event vernetzt Energiewende Influencer und beschleunigt so die Energiewende. Foto: Klaus Müller

Die CO2-Werte erreichen ein neues Rekordhoch, die Atomkommission verhandelt über milliardenschwere Altlasten und die UN-Klimakonferenz in Paris zeigt: Die Zeit drängt. Wir brauchen die Energiewende – besser gestern als morgen. Soweit der Konsens. Umstritten ist aber: Wie lässt sich der Umbau beschleunigen?

Energiewendebeschleuniger für einen Bereich

Schnell fallen da Einrichtungen wie das Fraunhofer ISE oder Unternehmen wie Tesla ein. Oder man denkt an Gesetze wie das EEG oder an Plattformen wie das Barcamp Renewables. Was diese Beispiele gemeinsam haben? Sie treiben einen oder wenige Bereiche der Energiewende voran:

  • Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer ISE bereichern die Energiewende durch zahlreiche Entwicklungen im Bereich Technik.
  • Mutige Unternehmen wie Tesla schaffen neue Produkte – sie bringen die Energiewende vor allem im Bereich Technik und Wirtschaft voran.
  • Das EEG schuf regulatorische Voraussetzungen für eine Beschleunigung der Energiewende.
  • Das Barcamp Renewables sorgt als Austauschplattform für Energiewende-Influencer für mehr mediale Durchschlagskraft und Ideenentwicklung.
Schild vom Barcamp Renewables 2016 – das Event vernetzt Energiewende Influencer und beschleunigt so die Energiewende. Foto: Klaus Müller
Schild vom Barcamp Renewables 2016 – das Event vernetzt Energiewende Influencer und beschleunigt so die Energiewende. Foto: Klaus Müller

Beschleuniger für einen Bereich bringen Hemmnisse

Diese Speerspitzen der Energiewende gehen voran und andere Bereiche profitieren von der Entwicklung. Allerdings bringt diese Option der Energiewendebeschleunigung auch einen Nachteil: Energiewendebeschleuniger, die sich nur auf wenige Bereiche konzentrieren, laufen Gefahr, dass eine Entwicklung durch andere Bereiche gebremst oder gar ganz verhindert wird. Einige Beispiele:

  • Wird eine Technik ohne den regulatorischen Rahmen vorangetrieben, dann könnte sie bald zwar technisch funktionieren, aber durch Regeln be- oder gar verhindert werden – so etwa der Fall bei Batteriespeichern, die als „Letztverbraucher“ beim Be- und Entladen doppelt Umlagen und Entgelte bezahlen.
  • Im Gegenzug bleiben regulatorische Möglichkeiten ohne entsprechende technische Entwicklungen erst einmal eine theoretische Möglichkeit – so etwa der Fall bei der Direktvermarktung von kleinen Photovoltaikanlagen, die zwar möglich, in der Umsetzung aber oft noch zu teuer ist.
  • Fehlt einer Entwicklung dagegen die gesellschaftliche Akzeptanz oder mediale Unterstützung, dann fallen auch die Durchsetzungschancen stark – so kämpfen etwa Windräder und Stromtrassen mit starken Vorbehalten durch Anwohner. Insgesamt genießen sie zwar große Akzeptanz, im eigenen Hinterhof wollen die meisten Bewohner jedoch weder Windrad noch Strommast sehen.
  • Erfüllt ein Endkundenprodukt die Voraussetzungen zum Beschleuniger der Energiewende, bleibt dabei aber ein Minusgeschäft, dann wird es wahrscheinlich nur Nischen besetzen – viele Batteriespeicher, die netzdienlich betrieben werden könnten, kommen wohl auch deshalb nicht im Keller der Endkunden an.

Vernetzte Energiewendebeschleuniger bringen Entwicklung für alle Bereiche

Diese Gefahr wollen Projekte umgehen, die versuchen, alle Bereiche der Energiewende – Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Medien, Umwelt sowie Forschung und Technik – miteinzubeziehen. Sie haben dadurch einen entscheidenden Vorteil: Die Entwicklung schreitet gemeinsam voran.

So ein vernetzter Beschleuniger der Energiewende kann Living Lab Walldorf werden. Das Pilotprojekt arbeitet mit 40 Haushalten und mehreren Gewerbebetrieben aus Walldorf Süd zusammen und erprobt die Energiewende der Zukunft – in allen Bereichen, die dazugehören:

  • Auf technologischer Ebene entwickelt das Konsortium Lösungen zur Vernetzung dezentraler Anlagen (Photovoltaik, Batteriespeicher, Wärmepumpen) zu einem virtuellen Kraftwerk und deren optimale Steuerung.
  • Auf politischer Ebene hilft das Living Lab Walldorf bei der Ausgestaltung der zukünftigen Rahmenbedingungen – dazu testet das Pilotprojekt neue Ansätze zur Abrechnung und Marktregulierung und simuliert etwa einen Strommarkt ohne Netzgebühren.
  • Auf wirtschaftlicher Ebene entwickelt das Living Lab Walldorf Geschäftsmodelle für den Energiemarkt der Zukunft wie etwa die Flexibilitätsvermarktung im Massenmarkt. Die Erkenntnisse des Projekts fließen in die Produkte der Projektpartner ein, z.B. entwickelt beegy dort seine nächste Produktgeneration.
  • Auf gesellschaftlicher und medialer Ebene stellt das Living Lab Walldorf durch die aktive Beteiligung von ca. 40 Haushalten und Gewerbebetrieben die Akzeptanz der Innovationen sicher. Auch die lokale Öffentlichkeit und Politik sowie Fachmedien sind eingebunden und dienen als Multiplikatoren für eine intelligente Energiewende.
  • Für die Umwelt bedeutet das Living Lab Walldorf einen weiteren Schritt in eine nachhaltige Energiewelt der Zukunft – ein gelungenes Living Lab Walldorf integriert Erneuerbare Energien optimal in das Energiesystem.
Straße in Walldorf Süd - das Stadtgebiet kann mit seinem Pilotprojekt Living Lab Walldorf zu einem Beschleuniger der Energiewende werden, der alle Bereich des Umstiegs mit einschließt. Foto: FZI Forschungszentrum Informatik.
Straße in Walldorf Süd – das Stadtgebiet kann mit seinem Pilotprojekt Living Lab Walldorf zu einem Beschleuniger der Energiewende werden, der alle Bereich des Umstiegs mit einschließt. Foto: FZI Forschungszentrum Informatik.

Nicht nur einzelne Große beschleunigen die Energiewende, sondern vor allem viele Kleine, die gemeinsam an einem Strang ziehen

Natürlich ist das Living Lab Walldorf nicht das einzige derartige Projekt. Andere wie das EU-geförderte Forschungsprojekt RealValue Horizon 2020 spannen sogar einen europaweiten Kontext für Wärmelösungen auf. Entscheidend dabei: Sie alle beschleunigen die Energiewende, indem sie Entwicklungen auf allen Ebenen gleichzeitig vorantreiben.

Vielleicht sollten wir deshalb nicht nur an die weithin sichtbaren Leuchttürme als Energiewendebeschleuniger denken, an die großen, schlagzeilenträchtigen Entwicklungen – diese Entwicklungen sind wichtig und machen sich um die Energiewende verdient. Daneben bringen aber vor allem Projekte, in denen Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Medien, Umwelt sowie Forschung und Technik miteinander verknüpft werden, um praktische Hindernisse zu überwinden, die Energiewende voran.

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  1. Windmüller

    vor 7 Jahren

    Ich engagiere mich seit 20 Jahren im Bereich erneuerbarer Energien, und habe vor 13 Jahren einen 10 Mio € teuren Bürgerwindpark in meiner Stadt mit vorangebracht. Vor 6 Jahren haben wir eine Bürgersolaranlage mit 38 KW auf einer Schule unserer Stadt realisiert. So viel habe ich in den 20 Jahren gelernt. Veränderung gibt es nur mit der "Graswurzelmethode" Wer sich auf die Politik verlässt, ist schnell verlassen.

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